In einem Ordnungsmittelverfahren hat das OLG Frankfurt a.M. Amazon-Händlern ein weiteres Problem beschwert. Nach der Entscheidung vom 16.04.2021 (Az. 6 W 8/18) entschied der sechste Zivilsenat, dass ein Amazon-Händler wettbewerbsrechtlich nicht nur für sein eigenes Handeln verantwortlich ist, sondern auch für die Produktabbildungen, die Amazons Algorithmen ohne sein Zutun einspielt. Der zentrale Satz lautet:
„Einem Händler ist es grundsätzlich zuzumuten, ein längere Zeit eingestelltes Angebot regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden seien. Dieser Prüfungspflicht ist die Antragsgegnerin hier in vorwerfbarer Weise nicht nachgekommen. Hätte sie ihr Angebot nach dem Einstellen regelmäßig überprüft, hätte sie festgestellt, dass neben ihrem Angebot für unverpackte Ware nicht nur das von ihr selbst hochgeladene, sondern noch die Bilder anderer Händler erscheinen. Dies hätte sie dazu veranlassen müssen, ihr Angebot – jedenfalls unter dieser ASIN – zu löschen.“
Um was ging es bei dem Verfahren?
Eine Amazon-Händlerin hatte in wettbewerbswidriger Weise Druckerpatronen auf Amazon vertrieben. Obwohl ihre eigenen Angebote nicht originalverpackt waren, hatte sie sich an Werbung des Originalherstellers mit bildlicher Darstellung der OVP angehängt. Das war ihr mit einstweiliger Verfügung verboten worden.
Daraufhin erstellte die Händlerin ein neues Angebot mit der korrekten ASIN. Diese ASIN war ausschließlich für neutral unverpackte Ware vorgesehen, während für die originalverpackte Ware eine andere ASIN gilt. Der Algorithmus Amazons blendete jedoch – ohne dass der Händler hieran etwas ändern konnte oder auch nur davon erfuhr – die Bilder eigenständig aus und stellte dabei immer wieder auch Bilder originalverpackter Ware ein.
Daraufhin beantragte der Originalhersteller ein Ordnungsgeld. Das OLG Frankfurt ließ den naheliegenden Einwand der Händlerin nicht gelten, dass der Verstoß unverschuldet war, und bürdete ihr sowohl eine Prüfpflicht als auch ein Ordnungsgeld auf.
Wen betrifft die Entscheidung?
Obwohl das verhängte Ordnungsgeld „nur“ 500,- € beträgt, müssen bei jedem Amazon-Händler die Alarmglocken klingen. Denn Ausgangspunkt der Entscheidung ist die Ansicht des OLG Frankfurt, dass der Amazon-Händler zwei Pflichten habe:
- Zum einen sei der Amazon-Händler verpflichtet, ein Angebot „regelmäßig“ zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden seien.
- Zum anderen müsse ein Amazon-Händler, wenn er einen Fehler des Amazon-Algorithmus feststelle, sein Angebot löschen.
Aufgrund des nach wie vor bestehenden fliegenden Gerichtsstandes muss grundsätzlich jeder Amazon-Händler damit rechnen, dass Streitigkeiten im Zuständigkeitsbereich des OLG Frankfurt a.M. ausgetragen werden. Es gibt also keine räumliche Beschränkung.
In welchen Rechtsgebieten gilt die Entscheidung?
Ergangen ist die Entscheidung zu einer wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügung. Die Leitsätze des OLG Frankfurt a.M. sind aber darauf nicht beschränkt, sondern ohne Weiteres auch auf andere Rechtsgebiete übertragbar. Amazon-Händler müssen damit rechnen, dass die Entscheidung in allen Bereichen des gewerblichen Rechtschutzes Nachahmung finden wird:
- Wettbewerbsrecht / Unlauterkeitsrecht (UWG, PAngV, LFGB, Kosmetik-VO, …)
- Markenrecht
- Urheberrecht (insb. Produktbilder)
Droht eine Abmahnwelle?
Die Entscheidung ist zwar „nur“ in einem Ordnungsmittelverfahren ergangen, und es ist auf jeden Fall argumentierbar, dass die strengen Prüfpflichten, die das OLG Frankfurt der Amazon-Händlerin auferlegte, nur im konkreten Fall galten. Immerhin hatte die Händlerin ursprünglich einen eigenen Verstoß begangen.
Aber es ist auch denkbar, dass Gerichte den Maßstab schon bei der ursprünglichen Frage der Rechtsverletzung heranziehen. Das würde bedeuten, dass sich ein Amazon-Händler wettbewerbsrechtlich angreifbar macht, wenn Amazon die falschen Bilder einblendet – und das aufgrund einer korrekt gewählten ASIN. Ob das zu einer Abmahnwelle führen wird, ist derzeit nicht absehbar – aber das Risiko besteht.
Haftet Amazon?
Ob Amazon dem Händler gegenüber haftet, ist im Einzelfall zu prüfen. Es gibt aber genügend Ansätze hierfür. Gerade weil Amazon im konkreten Fall die falschen Bilder trotz richtiger ASIN-Wahl ausspielte, dürfte eine Vertragspflichtverletzung vorliegen. Das Problem ist, dass dieser Schadensersatzanspruch erst mühsam vor Luxemburger Gerichten durchgesetzt werden muss.
Was können Händler tun?
Es ist auf jeden Fall anzuraten, die eigenen Angebote regelmäßig durchzusehen, und dabei nicht nur die eigenen Einstellungen zu beachten, sondern auch die tatsächliche Ausspielung durch Amazon. Sollte es zu einer streitigen Auseinandersetzung kommen, muss sofort dser Rechtsanwalt eingeschaltet werden, um teure Fehler zu vermeiden.