Die Rechtswahl-Falle – und wie man sie vermeidet

US-Jusitz

Bei internationalen Verträgen lassen sich deutsche Mittelständler und Startups oft auf ausländisches Recht und ausländische Gerichtsstände ein. Im Konfliktfall kann das sehr ernste Folgen haben. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie bei der Vertragsgestaltung achten müssen.

Immer mehr kleine und mittlere Unternehmen handeln international – auch beim Einkauf. Vor allem Softwareentwicklung wird gerne in anderen Ländern beauftragt. Hierfür sprechen die deutlich geringeren Kosten und vor allem die Verfügbarkeit. Dabei werden oft recht kurze Verträge geschlossen, deren Klauselwerk gerade von mittelständischen Unternehmen und Startups oft nicht überprüft wird – aus Sorge vor vermeintlich hohen Beratungskosten oder mangelndem Problembewusstsein. Die Folgen können aber fatal sein. Eine der häufigsten Problemquellen sind dabei die oft unscheinbare Rechtswahl und die Bestimmung des Gerichtsstandes für den Streitfall. Beides hat Auswirkungen bereits für die Vertragsdurchführung.

Verschiedene Rechtsordnungen – mit großen Unterschieden

Internationales Vertragsrecht gibt es nur beim Warenkauf (CISG). In allen anderen Fällen, also vor allem im Werkvertragsrecht, Lizenzrecht oder Gesellschaftsrecht, findet auf den Vertrag die Rechtsordnung eines Staates Anwendung. Jeder Staat hat dabei seine eigene Rechtsordnung – das heißt, mindestens eine. Im Fall der USA hat jeder der 50 Bundesstaaten sein eigenes Zivilrecht (ergänzt um Bestimmungen des US-Bundesrechts, z.B. im gewerblichen Rechtsschutz), aber auch innerhalb des Vereinigten Königreiches gibt es mit Schottland, England und Nordirland drei verschiedene Rechtsräume und drei verschiedene Zivilrechtsordnungen. Auch innerhalb der EU gibt es kein einheitliches Zivilrecht – der französische Code Civil, das deutsche BGB und das österreichische ABGB sind eigenständige Regelungswerke. Die Unterschiede zwischen diesen Rechtsordnungen sind dabei erheblich. Sie betreffen schon die Frage, wie Verträge überhaupt geschlossen werden, wie mit Vertragsstörungen umgegangen wird, und welcher Schadensersatz im schlimmsten Fall zu zahlen ist.

Wann kommt welches Recht zum Tragen?

Wann welches Recht auf einen Vertrag anzuwenden ist, hängt von den beteiligten Staaten ab. Der in den meisten Fällen gültige Rechtsgrundsatz ist, dass das Recht des Leistungserbringers gilt – bei einem Vertrag mit einem IT-Entwickler in Palo Alto also kalifornisches Vertragsrecht. Hiervon können die Parteien (meistens) vertraglich abweichen und eine sogenannte Rechtswahlvereinbarung treffen. Die ist dann nicht auf bestimmte Rechtsordnungen beschränkt. Die kalifornische IT-Firma und der deutsche Mittelständler könnten also auch schweizer Recht wirksam vereinbaren.

In der Praxis ist es aber regelmäßig so, dass der ausländische Anbieter bei einem grenzüberschreitenden Vertrag seine Heimatrechtsordnung ausdrücklich in seinen AGB festschreibt und der deutsche Kunde dies ohne zu Murren akzeptiert. Dann gilt die fremde Rechtsordnung auf jeden Fall. Wer also Leistungen an ein Unternehmen in Florida erbringt und deren „terms and conditions“ klaglos akzeptiert, muss sich mit dem Recht Floridas auseinandersetzen.

Welche Gerichte sind im Streitfall zuständig?

Die zweite, mit der Rechtswahl eng verwandte Frage ist, welche Gerichte im Streitfall zuständig sind. Ob sich ein Gericht für international zuständig erachtet, entscheidet jedes Gericht nach seiner eigenen Prozessordnung. Das New Yorker oder das US-Bundesgericht nehmen also keine Rücksicht auf die ZPO, sondern beurteilen ihre Zuständigkeit nach dem „California Code of Civil Procedure“ bzw. den „Federal Rules of Civil Procedure“. Ein sehr bedeutsamer Unterschied zu europäischen Gerichtsordnungen ist, dass der Kläger sehr viel einfacher an seinem eigenen Sitz klagen kann – besonders einfach bei einem grenzüberschreitenden Vertrag.

Innerhalb der EU ist die Zuständigkeit der nationalen Gerichte immerhin einheitlich geregelt – aber auch nach der EuGVVO kann bei entsprechendem Rechtsbezug ein italienisches oder kroatische Gericht zuständig sein, wenn die Vertragspartner nichts anderes geregelt haben.

Die Erwartung des deutschen Startups, einen Rechtsstreit vor einem deutschen Landgericht führen zu können, wird dann sehr schnell enttäuscht.

Allerdings besteht auch bei der Wahl des Gerichtsstandes nach den meisten Rechtsordnungen die Möglichkeit, diesen abschließend zu vereinbaren. Es ist also möglich, im Vertrag die Zuständigkeit deutscher Gerichte festzulegen – und diese Gerichtsstandswahl wird dann auch im Regelfall von ausländischen Gerichten akzeptiert. Damit lässt sich dann der Gang vor ein chinesisches oder amerikanisches Gericht vermeiden.

In der Praxis ist es jedoch meistens umgekehrt: Auch beim Gerichtsstand verweist der ausländische Vertragspartner im Regelfall in seinen AGB oder Vertragsklauseln einfach auf die eigene Gerichtsbarkeit, und der deutsche Vertragspartner akzeptiert das oft ohne Weiteres.

Welche Folgen können ausländisches Recht und fremde Gerichtsstände für den Vertrag haben?

Die Probleme ausländischer Rechtsordnungen zeigen sich schon bei der ersten Vertragsstörung. Sie können von bloßen Frustrationen über explodierende Rechtsberatungskosten bis hin zu finanziellen Katastrophen reichen.

Ausländisches Vertragsrecht und dessen Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Vertrag

Das erste und wichtigste Problem ausländischen Rechts ist, dass der deutsche Mittelständler, das deutsche Startup dieses schlicht nicht kennt – und der deutsche Hausanwalt selbstverständlich auch nicht. Beim ersten Zweifel über eine Rechtsfrage muss dann Rechtsrat im jeweiligen Ausland eingeholt werden, im Beispielsfall des IT-Entwicklers aus dem Silicon Valley also durch einen kalifornischen Rechtsanwalt. Die Beratungskosten werden dann sehr schnell erheblich – und wer sie vermeiden will, segelt blind.

Die weiteren Probleme sind dann inhaltlicher Art und betreffen die verschiedensten Bereiche.

  • Die erste Frage ist schon, wie Verträge überhaupt geschlossen oder geändert werden. Dazu gehört z.B., wann welche Form (Schriftform, Email) anzuwenden ist. „Schriftform“ im deutschen Recht kann beispielsweise Fax und Email einschließen, aber auch Tinte und Papier bedeuten, während solche Unterscheidungen anderswo nicht getroffen werden. Auch Fragen der Vertretungsberechtigung können in anderen Ländern anders geregelt sein. Das kann dann bedeuten, dass eine telefonische Aussage des Praktikanten plötzlich rechtlich relevant wird, oder umgekehrt eine vermeintliche Zusicherung eines Mitarbeiters rechtlich gar nicht wirksam ist.
  • Ganz verschieden ist, ob es in der jeweiligen Rechtsordnung (wie z.B. in Deutschland mit BGB und HGB) überhaupt eine ohne weiteres auffindbare gesetzliche Grundlage gibt, die zur Anwendung kommt, wenn die Parteien nichts geregelt haben. In den sog. „Common-Law“-Ländern (vereinfacht gesagt sind das alle ehemaligen britischen Kolonien, einschließlich der meisten Bundesstaaten der USA) etwa ist das Zivilrecht nur sehr rudimentär in einzelnen Gesetzen geregelt, so dass es den Parteien obliegt, detaillierte Regelungen zu treffen. Fehlen sie, ist die Rechtslage nur mühsam anhand der jeweiligen Rechtsprechung zu ermitteln und mit Ungewissheiten versehen. So kann ein und derselbe Vertrag, je nach Rechtsordnung, völlig verschiedene Risiken beinhalten.
  • Die deutsche Sonderregelung der AGB-Kontrolle auch im B2B-Geschäft ist den meisten anderen Ländern unbekannt. Wer also meint, eine besonders aggressive Klausel im Vertrag hinnehmen zu können, weil die Gerichte sie ja ohnehin kippen würden, wird sehr schnell eines Besseren belehrt, wenn der Vertrag sich nach chinesischen Recht richtet…
  • Auch der umgekehrte Fall kommt jedoch vor. So lässt zwar das deutsche Recht u.U. einen Haftungssauschluss für grobe Fahrlässigkeit zu, das schweizer Recht jedoch nicht.
  • Verschieden sind die Regelungen auch darin, wer wann welche vertraglichen Rechte geltend machen kann oder muss. Während z.B. manche Verzugsfolgen nach deutschem Recht automatisch eintreten, ist nach anderen Rechtsordnung immer eine Mahnung erforderlich.
  • In manchen Rechtsordnungen ist die vertragliche Mangelhaftung (Gewährleistung) vollständig anders geregelt als im deutschen Recht und wird auf Schadensersatz reduziert. Der Besteller kann dann keine Erfüllung verlangen, sondern nur nach fehlender Erfüllung Schadensersatz fordern. Das hat natürlich Folgen für das Verhalten im Fall einer Vertragsstörung.
  • Auch das Ausmaß des möglichen Schadensersatzes variiert – die „punitive damages“ amerikanischer (und englischer) Rechtsordnungen sind auch hierzulande zumindest vage bekannt. Die Verurteilung zu solchem Strafschadensersatz kann ein kleines Unternehmen ohne weiteres ruinieren. Alleine die Drohung mit solchen Forderungen kann schon beängstigend wirken.
  • Schlussendlich gibt es weltweit die verschiedensten Verjährungsregelungen. Das betrifft den Beginn, die Dauer und die Unterbrechung der Verjährung und kann sowohl zu sehr viel schnellerer Anspruchsverjährung führen, als auch zu deutlich längeren Fristen.

Diese Punkte sind nur einige der möglichen Unterschiede. Je nach Vertragsform kann es noch sehr viel mehr Probleme im Einzelfall geben.

Kann ein ausländischer Gerichtsstand schaden?

Auf hoher See in Gottes Hand ist schon, wer seine Anliegen vor einem deutschen Gericht vertreten muss – aber selten trifft diese Weisheit so unbedingt zu wie bei einem Prozess vor einem ausländischen Gericht.

Das beginnt schon mit grundsätzlichen Schwierigkeiten mancher anderer Justizsysteme:

  • Während man in der EU und den USA von einem rechtsstaatlichen Verfahren und einer unbestechlichen, unparteiischen Justiz mehr oder weniger ausgehen kann, ist das in anderen Ländern keineswegs garantiert. Vor allem in totalitär regierten Ländern wie etwa China trifft man schon nicht auf einen unabhängigen Richter.
  • Die Verfahrensdauer, die schon in Deutschland als zu lang gilt, ist anderswo noch viel länger. Italienische Gerichte beispielsweise haben einen derart schlechten Ruf, was ihre Geschwindigkeit betrifft, dass es im internationalen Patentrecht sogar eigene Begriffe und Anwendungsfälle dafür gibt.

Es folgen dann eine Menge rein praktischer Probleme:

  • Ein vertrauenswürdiger Anwalt vor Ort muss gefunden werden – auch mit Internetrecherche nicht immer einfach.
  • Gerichtsfristen müssen eingehalten werden, auf die möglicherweise gar nicht hingewiesen wird.
  • Der Prozess findet in einer fremden Sprache statt. Selbst gute Englischkenntnisse finde oft ihre Grenze, wenn ein Gericht verhandelt.
  • Die Verhandlung erfordert oft persönliche Anwesenheit, also erhebliche Reisekosten und großen Zeitbedarf, verbunden mit der schwierigen Kommunikation über Gerichtsdolmetscher.
  • Die Verhandlungsweise ist oft völlig unbekannt – Geschworenenprozesse, „Discovery“ und Kreuzverhöre sind nicht nur dem deutschen Prozessrecht unbekannt, sondern auch dem deutschen Mittelständler.

Die Verfahrenskosten sind der dritte Punkt, der die vermeintlich harmlose Gerichtsstandswahl zum Alptraum geraten lassen kann. Alleine die eigenen Anwaltskosten betragen meist ein Zigfaches dessen, was ein Prozess in Deutschland kosten würde. Ob diese Kosten aber im Falle des Obsiegens wenigstens teilweise erstattet werden, ist unvorhersehbar. Gerade die US-amerikanischen Prozessordnungen kennen die Kostenerstattung nur im Ausnahmefall, dann aber oft bezogen auf die tatsächlichen Kosten. Das bedeutet, im schlimmsten Fall als Prozesssieger auf sechsstelligen Anwaltskosten sitzenzubleiben, und im schlimmsten Falls als Prozessverlierer dem Gegner zusätzlich sechsstellige Anwaltskosten erstatten zu müssen.

Das bedeutet, dass vor vielen ausländischen Gerichten ein Rechtsstreit überhaupt nur dann aktiv geführt werden kann, wenn der zu erzielende Erfolg sich im hohen sechsstelligen Bereich bewegt – ansonsten wirft man dem schlechten Geld Gutes hinterher. Umgekehrt muss sich der deutsche Vertragspartner bewusst sein, dass bei Vertragsstörungen ein erhebliches Prozessrisiko besteht – alleine durch den Prozess. „Punishment by trial“ bedeutet, den Vertragspartner alleine durch die Kosten- und Zeitbelastung in die Knie zu zwingen. Dies kann die Wirtschaftlichkeit des Vertrages vollständig zerschlagen.

Wie Startups und Mittelständler Fallen vermeiden können

Mittelständler und Startups sollten bei grenzüberschreitenden Verträgen beiden Themen (Rechtswahl und Gerichtsstand) unbedingt ihre Aufmerksamkeit schenken. Vertragsklauseln, AGB oder die Leistungsbeschreibung können nur dann verstanden und bewertet werden, wenn man weiß, auf welcher Grundlage man miteinander spricht. Die Wahl der Rechtsordnung muss also am Anfang der Vertragsdiskussion stehen, und nicht erst am Ende – und vor allem nicht unter den Tisch fallen.

Auf keinen Fall sollte man das „Heimatrecht“ des Vertragspartners blind akzeptieren. In vielen Fällen sind ausländische, sogar US-amerikanische Unternehmen bereit, die deutsche Rechtsordnung und einen deutschen Gerichtsstand zu akzeptieren, wenn man ihnen hierfür gute Argumente nennt. Dafür gibt es einige:

  • Die deutsche Rechtsordnung ist weit entwickelt, alleine schon aufgrund der Häufigkeit vieler Rechtsfragen. Das ist ein klarer Vorteil insbesondere gegenüber den Rechtsordnungen kleiner Länder.
  • Die richterliche Vertragskontrolle wirkt zugunsten beider Seiten, schützt also auch den Vertragspartner.
  • Niedrige Verfahrenskosten und im internationalen Vergleich schnelle Verfahren machen den Gerichtsstand gerade für kleine Unternehmen attraktiv.

Gelingt es nicht, eine Änderung des anwendbaren Rechts herbeizuführen und soll der Vertrag hieran nicht scheitern, muss zwingend das Klauselwerk im Einzelnen betrachtet werden. Dann müssen alle Fragen der Vertragsdurchführung im Einzelnen geregelt werden – insbesondere die bereits angesprochenen Fragen der Form, Erklärungsempfänger, Vertretungsberechtigter, der Umgang mit Mängeln oder Verzug, Art und Umfang des Schadensersatzes und die Verjährung. Ggf. lassen sich auch einzelne Regelungen zu den Kosten eines Rechtsstreits treffen.

Das anwendbare Recht und den Gerichtsstand zu trennen ist juristisch nicht zu empfehlen – deutsche Gerichte kommen mit dem Recht Floridas genauso wenig zurecht wie umgekehrt. Trotzdem wird dieser Kompromiss bisweilen aus Disziplinierungsgründen getroffen.

Gerne stehen wir Ihnen natürlich bei der Ausarbeitung grenzüberschreitender Verträge zur Verfügung.